Chernivtsi / Чернівці - First Contact
Meine Reise in die Ukraine beginnt 2007 in Czernowitz, oder wie ich es manchmal nenne, “First Contact” 🖖. Czernowitz? Noch nie gehört .. Wo ist das? Wie groß ist das? Wie kommt man da hin? Interessant, dass diese Fragen heute von den Menschen auf den Straßen in Europa noch immer kommen, wenn sie das erste mal mit dem Namen der Stadt konfrontiert werden. Nicht nur interessant, sondern ziemlich traurig.
Nun, mein Glück war, dass meine Verlobte dort geboren und aufgewachsen ist. Also waren diese Fragen schnell beantwortet und die Neugier war geweckt. Die trockenen Fakten. Die Stadt befindet sich im Westen der Ukraine am Rand der Karpaten nicht weit von der Grenze zu Rumänien. Czernowitz hat etwa 260000 Einwohner und ist damit eigentlich gar nicht zu übersehen. Das mit dem Hinkommen ist ein eigenes Kapitel. 2007 war es für uns eine Zugreise von Deutschland quer durch Polen und dann durch die Westukraine. Etwas erzählt zu bekommen oder sich Fakten zu suchen ist das Eine, dort zu sein und sich von Einheimischen “Alles” zeigen zu lassen ist was Anderes.
Noch ein paar kurze Fakten, die einfach wichtig sind um zu verstehen, warum die Stadt ist, wie sie ist. Czernowitz ist die historische Hauptstadt der Bukowina und gehörte damit lange Zeit gemeinsam mit Galizien und deren der Hauptstadt Lwiw zur Doppelmonarchie Österreich Ungarn . Diese Zeit, war auch die große Blüte der Stadt. Und hier ist auch die Einzigartigkeit begründet, denn architektonisch ist Czernowitz eine Österreichische Stadt. Diesen Einfluss spürt man in der Innenstadt auch Heute noch, denn die Stadt hatte das Glück in den Kriegen nahezu verschont zu werden - zumindest was die Zerstörung der Bausubstanz angeht.
Die Region um die Stadt und die Stadt selbst war vor dem zweiten Weltkrieg das, was wir jetzt immer so schön als “Schmelztiegel der Kulturen” bezeichnen. In Czernowitz lebten Ukrainer/Ruthenen, Rumänen/Moldauer, Polen, Juden, Roma, Österreicher und Bukowinadeutsche. Auf den Straßen sprach man die verschiedensten Sprachen und es war ein sehr buntes Miteinander, welches ein jähes Ende fand. Von den Schrecken des Zweiten Weltkriegs und der Zeit danach hat sich diese multikulturelle Gemeinschaft bis jetzt nicht wirklich erholt. Dennoch finden wir im Stadtbild noch an vielen Stellen Anhaltspunkte für diese Blütezeit der Stadt. Mehr Informationen und Wissenswertes zur Historie findet Ihr auf Wikipedia.
Was haben wir 2007 und später 2009/2014 besucht und können es Euch empfehlen? Es ist nie eine schlechte Idee einen Einheimischen dabei zu haben um Dinge gezeigt zu bekommen, die vielleicht nicht im Reiseführer stehen. Die Innenstadt hat bis Heute den Charme der k. u. k. Doppelmonarchie nicht verloren. Es gibt eine nette Fußgängerpassage mit kleinen Cafés und Läden. Die Universität ist wahrscheinlich unter Touristen der Punkt, der am meisten anzieht - zu Recht, es gibt nicht viele Universitäten mit einem solchen Gebäudekomplex. Es empfiehlt sich eine Führung zu buchen um auch in das Innere der Gebäude zu kommen, es lohnt sich.
Wir haben dann von Czernowitz ausgehend etwas Wunderbares gemacht, was nicht unbedingt jeder Tourist macht oder auch machen kann. Wir sind auf das Land gefahren, in ein Dorf, in den Karpaten, zu den Großeltern meiner Verlobten. Und hier gibt es Dinge, die wir in Europa irgendwie verlernt haben. Gastfreundschaft. Einfachs Leben, mit dem was da ist. Es gibt keine Eile - das Leben ist entschleunigt. Manchmal gibt es ab den Abendstunden keinen Strom .. ja, das stört ein wenig, aber man macht das Beste daraus und setzt sich mit einem Bier auf die Terrasse und beobachtet die Sterne in der Milchstraße, etwas, was man so in Europa an nur noch ganz wenigen Plätzen machen kann. Und ja, das Heulen auf den Bergen ringsum sind Wölfe.
Zurück in der Stadt ist das Leben ein Anderes. Die Leute von den umliegenden Dörfern kommen in die Stadt um auf Märkten ihre Waren zu verkaufen und Dinge, die man nicht selbst herstellen kann einzukaufen. Nehmt Euch die Zeit und besucht so einen Markt. Alles ist frisch und günstig. Einen Markt der etwas anderen Art findet Ihr im Nordosten der Stadt, direkt hinter der Brücke über den Fluss Prut. Auf einer Fläche von etwa 75 Hektar befindet sich hier ein Markt, der sich eher Basar nennen sollte. Unbedingt einen Einheimischen mitnehmen, sonst steigt Ihr nicht durch. Es gibt wirklich “Alles”. Vom Auto bis zum Hochzeitskleid .. totaler Wahnsinn und so, in der Größe kaum noch Einmal in der Ukraine zu finden.
Bleibt die Frage, wie kommt man nun hin in diese Stadt, die von Touristen noch ziemlich übersehen wird aber, die wirklich viel zu bieten hat. Es gibt Zugverbindungen nach Lwiw und Kyїv. In beide Richtungen verkehren auch schon die neuen modernen Schnellzüge. Von Kyїv kann man nach Czernowitz fliegen, die Verbindung besteht ab Kyїv - Borispil (KBP) . Eine Alternative für die, die etwas flexibler sein möchten, nach Lwiw fliegen und sich dort ein Auto mieten. Im letzteren Fall, Zeit mitbringen, die Straßen in Richtung Karpaten sind nichts für schwache Nerven.
Fazit, Czernowitz ist an vielen Stellen deutlich verschieden von Lwiw oder auch von Kyїv. Es ist kleiner und touristisch noch nicht stark erschlossen oder gar überlaufen. Die Stadt eignet sich hervorragend als Ausgangspunkt für Touren in die Karpaten. Sprachkenntnisse sind sehr sinnvoll, ein Einheimischer an der Hand ist ideal.