Sechs häufige Fragen zu Odesa
Ein Gastbeitrag von Ira Peter und dem Blog stadtschreiberin-odessa.de - 2021 für den Ira schreibt.
Nur zwei Stunden Flug trennen Berlin von Kyiv, trotzdem scheint die Ukraine oft sehr weit von Deutschland entfernt zu sein. Sie ist kein EU-Land, grenzt an Deutschland nicht direkt an, ist irgendwie eines dieser Länder, die mal zur Sowjetunion gehört haben. Vielleicht interessiert sich Deutschland eines Tages mehr für das Land im Osten. Mich erreichen jedenfalls aus Deutschland täglich Fragen zu Odesa und der Ukraine, ein gutes Zeichen vielleicht – hier die sechs häufigsten.
Wie ist es mit dem Krieg in der Ukraine?
Rund um die Städte Donezk und Luhansk finden seit 2014 „bewaffnete Auseinandersetzungen“ statt – so das Auswärtige Amt. Teile dieser Verwaltungsbezirke werden von separatistischen Kräften kontrolliert. Je nach Auffassung sprechen Menschen auch von einem „Krieg zwischen der Ukraine und Russland“. Täglich sterben dort Menschen, rund 13.000 in den vergangenen sieben Jahren. Wie tragisch das auch ist, in Odesa und auch im Rest des Landes ist vom Krieg kaum etwas zu spüren. Hier und dort erinnern an öffentlichen Plätzen Bilder von Gefallenen und niedergelegte Blumen an das Sterben im Osten des Landes. Von hier aus ist es aber fast 1.000 Kilometer entfernt und spielt in meinem Alltag in Odesa und auch für Touristen im Land keine Rolle.
Im Osten der Ukraine herrscht seit 2014 Krieg. In Städten wie hier in Kyiv erinnern Gedenktafeln an die Gefallenen.
Wie sicher ist Odesa für eine Frau?
Nicht sicherer oder unsicherer als meine Heimatstadt Mannheim. Ich würde hier nicht nachts allein durch Vororte voller Hochhäuser und Schnellstraßen spazieren. Das würde ich aber auch nicht in Deutschland. Ich habe nicht den Eindruck, dass ich hier mehr auf meine Wertsachen achten muss als in Berlin oder München. Im Zentrum, wo ich wohne, fühle ich mich auch um zwei Uhr nachts wohl auf der Straße, weil diese Stadt – zumindest im Sommer – niemals schläft. Wenn ich doch mal nachts außerhalb des Zentrums bin, nehme ich einfach ein Taxi. Es gibt hier unterschiedliche Anbieter wie Bolt, Bond, Uklon oder Uber, die einen günstig und zuverlässig durch die Stadt bringen. Denn die Fahrt wird im System des Anbieters getrackt und kann per Smartphone mit Freunden geteilt werden. Wer sich für ein Taxi, etwa am Flughaben, ohne eine App entscheidet, bezahlt schnell das Fünffache, wenn er kein Russisch oder Ukrainisch spricht. Aber die Odessiten haben Humor und lassen mit sich reden – probieren würde ich es jedenfalls trotzdem, den Preis auf die üblichen drei Euro vom Flughafen zum Zentrum herunterzuhandeln!
Wie in jeder größeren westeuropäischen Stadt auch sollten Menschen am Strand oder in Fußgängerzonen auf ihre Wertsachen achten. Eine besondere Vorsicht ist in Odesa nur an sehr viel besuchten Orten geboten wie dem Platz rund um die Oper.
Wie sicher ist Odesa für einen Mann?
Ich habe aus dem deutschen Honorarkonsulat hier in Odesa gehört, dass es hin und wieder vorkommt, dass Männer (ja, ausschließlich) in Betrügereien verwickelt werden. Hübsche Frauen führen sie beispielsweise in Restaurants, in denen sie am Ende eines gemeinsam verbrachten Abends unübliche Preise für Getränke und Speisen zahlen müssen. Oder ein Mann verbringt eine Nacht mit einer Frau, die ihn, während der Mann schläft oder duscht, ausraubt. Das kommt vor, wenn auch selten. Ich kenne kein Restaurant oder Café, wo ich jemals das Gefühl hatte, reingelegt zu werden. Im Gegenteil: Das Personal ist in der Regel sehr bemüht, das Essen fantastisch und die Preise für Westeuropäer*innen sehr niedrig. Ein Kaffee kostet in der Regel ein bis zwei Euro, eine Hauptspeise im Restaurant rund fünf Euro. Ich denke, jeder Mann mit gesundem Menschenverstand kann hier ebenso sicher und angenehm reisen wie auch Frauen.
Die Oper im Herzen Odesas ist ein Touristenmagnet. Drum herum können Besucherinnen Souvenirs, Zuckerwatte oder Babykatzen kaufen. Finger weg von Ziertauben, mit denen Bilder gemacht werden können. Unter Umständen erhöht sich der Preis während der Aufnahme – so Stadtführerinnen.
Wie ist es mit Corona im Land?
Bis Ende August 2021 gilt in der Ukraine eine „adaptive Quarantäne“. Je nach Lage gelten in den Verwaltungsgebieten unterschiedliche Maßnahmen. Derzeit gelten alle Gebiete im Land als grüne Zone. Es gibt also kaum Einschränkungen. Weiterhin besteht in öffentlichen Innenräumen die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes. Das gilt auch für öffentliche Verkehrsmittel, in Geschäften, Museen, Cafés und Restaurants. Theoretisch zumindest. Praktisch kenne ich jedoch nur einen einzigen Ort in Odesa, an dem darauf geachtet wird, dass die Maskenpflicht eingehalten wird: in dem Supermarkt gegenüber meines Wohnhauses. Dort hat kürzlich eine Kundin sich geweigert eine Maske aufzusetzen. Die Kassiererin durfte sie deshalb nicht bedienen. Sie befand sich an der Kasse direkt vor mir. Also bat mich die Kundin, ihre Kreditkarte auf das Lesegerät zu legen, damit sie ihre Einkäufe bezahlen kann. So haben wir das Problem dann gelöst. Hier herrscht in Bezug auf Corona ein wenig Abneigung gegen Regeln gepaart mit slavischen Fatalismus. Die meisten, mit denen ich gesprochen habe, hatten die Krankheit bereits. Sie nehmen sie auch sehr ernst. Trotzdem sehe ich in der Öffentlichkeit einen eher lockeren Umgang mit der Pandemie. Das gilt jedoch nur für Odesa. In Kyiv und Zhytomyr im Westen der Ukraine beispielsweise halten sich die Menschen viel strenger an Hygiene- und Abstandsregeln.
Die Makenpflicht wird in Odesa nicht so häufig eingehalten wie in anderen Städten des Landes wie beispielsweise Zhytomyr – das Bild zeigt mich im Archiv in Zhytomyr.
Wie ist die Impf-Bereitschaft?
Zunächst gab es nur wenig Impfstoff im Land und wenn dann aus China und Südamerika, bei dem die Menschen unsicher waren. Denn unklar war, wie wirksam die Impfstoffe sind und ob eine Impfung mit diesen später zum Reisen nach beispielsweise Europa berechtigt. Mittlerweile stehen Impfstoffe zur Verfügung, die auch in Deutschland zugelassen sind. Viele Ukrainer*innen sind jedoch skeptisch, da vereinzelt Fälle bekannt geworden sind, bei denen die Kühlketten beim Transport der Mittel nicht eingehalten wurden. Manche glauben auch, dass Corona eine globale Verschwörung sei und eine Impfung die Gene verändert – aber das kennen wir ja auch aus Deutschland. Menschen in systemrelevanten Berufen wurden bereits in einer bestimmten Reihenfolge geimpft. Unternehmen können ihre Mitarbeiter*innen im Betrieb impfen lassen, sofern mindestens 50 Menschen interessiert sind. Ich habe in der Stadt auch Werbeplakate gesehen, die die Bevölkerung zum Impfen motivieren sollen.
In Odesa sprechen die Menschen meist Russisch – Ukrainisch ist trotzdem die einzig offizielle Sprache des Landes.
Welche Sprache wird in Odesa gesprochen?
In der Ukraine gibt es nur eine offizielle Sprache: Ukrainisch. Das Menü im Restaurant muss zum Beispiel auf Ukrainisch zur Verfügung stehen, der Moderator einer TV-Sendung muss auf Ukrainisch sprechen und natürlich sind alle administrativen Angelegenheiten auf Ukrainisch zu regeln. In Kyiv oder Lviv sprechen die Menschen überwiegend auch Ukrainisch. In Odesa nicht. Hier herrscht aus historischen Gründen die russische Sprache vor. Das bedeutet, dass man hin und wieder in einem Café oder einem Geschäft zwar auf Ukrainisch angesprochen wird – das müssen Angestellte sogar – dass sie aber meist ins Russische wechseln, wenn der Kunde oder die Kundin kein Ukrainisch spricht. Unter Freunden und Bekannten spricht man hier in jedem Fall Russisch oder – und das ist ein sehr interessantes Phänomen – Surschyk. Surschyk ist eine Mischung aus Russisch und Ukrainisch, der ich vor allem in den Dörfern um Odesa herum begegne. Es hört sich an wie das Aussiedlerisch meiner Eltern, die im Gespräch mit mir russische mit deutschen Wörtern mischen, selbst die Grammatik und der Satzbau unterliegen dann einer Mischung der Sprachen.